Mittwoch, 31. Oktober 2007

Fundacion Campamento Cristiano Esperanza

Der Schwerpunkt meiner bisherigen Berichterstattung, lag deutlich bei meinen Wochenendausflügen. Damit ihr euch auch von meinem Arbeitsleben in der Fundacion eine bessere Vorstellung machen könnt, werde ich nun etwas über meine Tätigkeiten und alltägliche Aktivitäten schreiben. (Außerdem hilft dieser Beitrag hoffentlich das Gerücht, ich würde hier nur einen Abenteuerurlaub verbringen, aus der Welt zu schaffen;-))

Meine Gruppe

Zusammen mit Tia Elisabteh bin ich für eine Gruppe mit 6 schwerbehinderten Kindern im Alter von 8-14 Jahren. Zwei Autisten und vier Kindern mit Cerberalparese(CP) versuchen wir alltägliche Notwendigkeiten, wie Beispielsweise das selbstständige Essen, beizubrinegen.
Durch einen Gendefekt autistisch veranlagte Menschen, fallen vor allem durch ungewöhnliche soziale Verhaltensweisen sowie eine eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit auf. Körperliche Einschränkungen weisen sie im Gegensatz zu den CP Kindern nicht auf. Diese leiden unter Bewegungsstörung, welche auf frühkindliche Hirnstörungen zurückgehen. Nicht nur die Bewegungskoordination, sondern auch die Entwicklung des Gehirn funktionert nicht vollständig.
Mit zahlreichen Bastel- Mal- und Sprachübungen versuchen wir die motorischen und kognitiven Fähigkeiten der Kinder zu verbessern. Auch das vermitteln von Vorschul- und Kindergartenwissen steht auf dem Stundenplan. So sollen die Kinder ein bessere Wahrnehmung von ihren Mitmenschen aber auch von sich selbst bekommen.. Momentan lernen sie Beispielsweise die Namen ihrer Körperteile. Selbst werden sie diese zwar nicht benennen können(nur Carolina kann etwas sprechen) dafür aber sollen sie z.B. bei einer Puppe, einem anderen Kind oder an sich selbst Kopf, Arme und Beine finden können.

Tia Elisabeth leitet die Gruppe. Elli, wie sie von den meisten genannt wird, ist eine sympathisch und lustige Frau, die ihre Gruppe gut im Griff hat. (Eine der wenigen der sogar der kleine Wellington gehorcht) Meistens ist sie geduldig mit den Kindern, zögert aber auch nicht diese in die Ecke zu schicken. Meiner Meinung nach ist sie dabei zu oft willkürlich und bestraft die Kinder in für mich unerklärlichen Situationen!
Im Insgesamten ist sie jedoch eine sehr herzliche Person, die ich sehr gerne mag und schätze.

Jefferson Mosquera: Mit seinen 14 Jahren ist Jefferson(CP) der Älteste in meiner Gruppe. Allerdings sieht man ihm sein Alter nicht an, ich hielt ihm am Anfang für 7. Da sein Vater Alkoholiker war und nach langer Zeit des Verschwinden erst vor einem halben Jahr wieder aufgetaucht ist, wohnt Jefferson im „Casa Hogar“, das zur Organisation zugehörige Heim für elternlose Kinder.
Am liebsten ist es Jefferson, wenn man ihn in Ruhe lässt, was es oft schwierig macht ihn zum basteln oder lernen zu veranlassen. Dafür lässt er keine Gelegenheit aus den Fussball zu schnappen und kräftig durch die Klasse zu schießen oder sich mit Wellington zu kabbeln.
Alleine Essen ist für ihn schwer. Feste Nahrung darf er gar nicht zu sich nehmen. Des öfteren braucht er also Unterstützung, wenn er seinen Brei essen möchte.
Auf jeden Fall hat der kleine Rythmusgefühl und erfrischt uns des Öfteren mit einem roboterartigen Tanzen, wenn im Radio ein passendes Lied läuft.

David Hinojosa: Der 13 jährige David ist ein sehr fröhliches Kind. Obwohl er weder ohne Unterstützung laufen kann, nicht sprechen kann, gefüttert werden muss und auch keine Kontrolle über seinen Stuhlgang hat, also immer Pampers tragen muss, lacht der kleine so herzhaft und aufrichtig, dass die Arbeit mit ihm sehr viel Spaß macht.
Lernen fällt ihm verhältnismäßig leicht und so hat er keine Probleme einen bestimmten Gegenstand zwischen anderen herauszufinden oder seinen Namen zu erkennen. Er versteht alles was man ihm sagt, auch wenn er nicht antworten kann.
Ausserdem ist er sehr feinfühlig und erkennt bei den anderen Kindern(auch bei mir) Gefühlslagen und reagiert entsprechend!
Erst seit einer Woche ist David wieder in der Fundacion. In den vier vorausgegangenen Wochen konnten seine Eltern den kleinen Grundbetrag, den die Kinder in der Fundacion zahlen, nicht aufbringen.

Carolina Mendez: Carolina wirkt auf den ersten Eindruck sehr Abwesend, hat oft den gleichen Gesichtsausdruck und macht kuhartige Geräusche. Dass sie ein sehr impulsiver Mensch sein kann, habe ich erst nach einiger Zeit gemerkt. So kann sie richtige Wutanfälle bekommen. Meist äußert sie sich dann aber doch in ca 30minütigen Lachanfällen, die man nicht stoppen kann. Nicht mitzulachen fällt bei so viel Fröhlichkeit schwer! So macht die „Arbeit“ mit ihr (sie zeigt eigentlich an nichts Interesse, was mit arbeiten zu tun hat) trotzdem Spaß. Als ich neulich neben ihr saß, hab ich einen dicken Schmatzer auf die Backe bekommen;-)

David Plaza: Der liebe David ist neun und wirkt auf den ersten Eindruck wie ein gesundes Kind. Da er aber Autist ist, kann er zum Beispiel nicht sprechen. Er ist recht sensibel und weint genauso oft wie er lacht. Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen ist es auf meinen Arm zu springen, um sofort wieder herunterzurutschen. Zu seiner Zweitlieblingsbeschäftigung fordert er mich auch mehrmals am Tag auf: Er liebt es Durchgekitzelt zu werden. David ist in seine Verhalten schon recht weit entwickelt! Er hat keinerlei Probleme selbständig zu Essen, aufs Klo zu gehen oder sich die Zähne zu putzen. Er versteht auch meistens was man von ihm will. Wenn er allerdings arbeiten soll, aber gerade keine Lust hat, fängt er laut an zu schreien, meistens auch bitterlich zu weinen. Seine Gefühlslagen kippen sehr oft.
Wenn wir in kneten muss man stark aufpassen, da David gerne Knete isst.


Maria Soledad: Soledad heißt Einsamkeit. Diesen traurigen Namen hat man dem ungefähr neunjährigen Mädchen(genaues Alter ist nicht bekannt) gegeben, als sie allein und verwahrlost schlafend im Park gefunden wurde. Seit dem lebt sie im Casa Hogar. Über ihre Herkunft ist nichts bekannt. Schon Peter(einer meiner Vorgänger) hat festgestellt, dass der Name Maria Alegria(Fröhlichkeit) ein viel besserer Name für das stets gut gelaunte Mädchen gewesen wäre.
Am Anfang hat man mir vom Casa Hogar aus Nahe gelegt ich solle eine große Distanz zu ihr wahren und nicht zu nett zu ihr sein, da sie im Casa Hogar sonst zu anhänglich wäre und seltsame Aktionen duchführen würde. So hat sie eines Morgens 2 kleiner Kinder aus dem Casa Hogar aus dem Bett geholt und unter die eiskalte Dusche gestellt bis jemand es bemerkte.
Von diesem Ausrutscher mal abgesehen, ist Maria ein so nettes, hilfsbereites und vor allem intelligentes Mädchen, dass ich von dem Gebot der Distanz schon lange wieder abgerückt bin. Die Traurigkeit und das Unverständnis, die sie zeigte wenn ich die anderen Kinder mal wieder umarmte und ihr nur die Hand gab, hab ich nicht ausgehalten. Da auch keine „Anhänglichkeitskritik“ aus dem Casa Hogar bekomme, habe ich diese unverständliche Erziehungsmaßnahme entgültig abgelegt.(Seltsame Erziehungsmethoden gibt es zu genüge in der Fudndacion, dazu aber später)
Da Maria erst ca ein Jahr in der Fundacion ist, muss sie noch viel lernen, was sie aber meist mit Bravour meistert. So hörte ich letzte Woche, als sie völlig begeistert mit Bausteinen baute, ein „Muy bien Maria“ Völlig irritiert musste ich feststellen, dass die Quelle Maria selbst war, mit ihren ersten Worten, die ich jemals von ihr gehört habe. Auch etwas ähnliches wie Papa bringt sie heraus wenn sie von Diego, aus dem Casa Hogar, abgeholt wird.
Beim basteln und spielen braucht sie viel Aufmerksamkeit und möchte einem jeder ihrer Fortschritte zeigen, zum Beispiel wenn sie einen neunen Schnipsel auf ihr Blatt geklebt hat, oder eine neue Perle auf eine Perlenkette gefädelt hat.
Maria ist sehr Aufmerksam und versucht den anderen Kindern zu helfen. Manchmal schiebt sie auch Wellington in Bad, wenn ich ihn zum Zähneputzen rufe und er nicht hört.


Wellington Vazques: Die kleine Kanone...was soll ich sagen? Wellington kann einen zum Wahnsinn treiben und schafft dies auch 3-4mal täglich. Gebote Missachten und sich dabei köstlich kaputtlachen zeichnet die kleine Spaßkanone am meisten aus. Ohne dieses Energiebündel wäre es in meiner Gruppe vermutlich sehr langweilig. Wellington nicht zu mögen ist einfach unmöglich! Der Begriff „Hassliebe“ ist mir auf jeden Fall verständlicher geworden. Der achtjährige nutzt jede Gelegenheit sich aus dem Raum zu schleichen und wegzurennen. Wie oft ich diesen Scherzkeks schon eingefangen habe kann ich nicht sagen, jeden Tag mehrmals. Wellington liebt es auch das Radio so schnell es geht laut und leise zu stellen, gegen den Schrank oder den Spiegel zu treten , Jefferson zu necken, alles durch die Gegend zu schmeißen, Bälle aus dem Fenster zu kicken, sich zu verstecken, genau das Gegenteil von dem zu tun was man ihm sagt und sich kaputtzulachen sobald er mir mal wieder ein relativ lautes, manchmal auch entsetztes oder sehr wütendes „WELLINGTON“ entlockt hat. Vor Elisabeth hat er Respekt. Wenn ich mit ihm alleine bin, hört er nur dann auf mich, wenn ich es geschafft habe ihn ca eine halbe Stunde zu ignorieren, dann ist er meistens ruhig und versucht sich auf meinen Schoß zu setzten. Aber Wellington eine halbe Stunde zu ignorieren ist nicht so leicht, wenn man vermeiden will, dass Jefferson weinend am Boden inzwischen einem Trümmerfeld liegt....
In seinem grünen Mäntelchen sieht er so aus wie ein Gartenzwerg und in der Fundacion gibt es glaub ich keinen der ihn nicht kennt.
Wellington kann aber auch sehr ruhig und lieb sein. Oft sitzt er dann auf seinem Stuhl und hält sich die Ohren zu. Das er dabei sehr oft grinst und laut loslachend sieht es aus als drifte er in eine andere Welt ab. Vergnügend bereitet es ihm auch sich meine Hände zu nehmen und sich damit die Ohren zu zuhalten. In seinen Ruhephasen guckt er sich auch gerne mal ein Buch mit mir an – immer das gleiche und immer die gleiche Seite. Aber nicht nur das. Auf dieser Seite sind ungefähr sechs Gegenstände abgebildet, davon gucken wir uns immer zwei! an. Eine Packung Milch und eine Schale Pommes. Was er von mir verlangt während er abwechselnd meinen Finger auf die beiden Abbildungen hält ist sie zu benennen. „Leche – Papas fritas, Leche –Papas fritas „ sagend können Minuten vergehen, in denen sich auch Maria über mein monoton werdenen Gemurmel köstlich amüsiert...
Seit neusten haben wir einen Spezialstuhl für ihn, eine Art Hochstuhl für kleine Kinder, aus dem er sich eigentlich nicht befreien sollte, eigentlich.


Ein typischer Tag...

Jeden Morgen gegen halb Neun kommen Ole, Niklas, Joss und Ich in der Fundacion an. Jeder Tag beginnt mit einem kleinen Frühstück für die Kinder. Elli ist dann schon dabei das Frühstück vorzubereiten. Kurz nach mir treffen die Kinder aus dem Casa Hogar ein, die ich dann vom Bus abhole.
In der Klasse ruhen sich die Kinder kurz aus, bekommen gegebenenfalls Windeln, Kleider oder Lätzchen gewechselt( Jefferson, Maria und David H. haben keine Kontrolle über ihren Speichelfluss und tragen daher immer ein Lätzchen)
Um viertel nach neun treffen wir uns dann mit der Prevoc2, der anderen Gruppe mit behinderten Kindern, auf der Wiese hinter der Kirche, wo das Tagesprogramm anfängt. Manchmal sollen sich die Kinder einfach nur beim Ballspielen bewegen, an anderen Tagen sitzen wir an der frischen Luft um Lernspiele mit den Kindern zu spielen. Beispielsweise Sprachtrainig für die Kinder die Sprechen können(in der anderen Gruppe sind das die meisten). Eine der Aufgaben in letzter Zeit war es, seinen Namen auf einer Karte herauszufinden. Aber nicht nur der eigene Name, sondern auch die der anderen wurden geübt. Um die Feinmotorik zu stärken sollen die Kinder erst alleine mit Bauklötzen bauen, dann einen Turm nach einem bestimmten Muster nachbauen.
Nach ca 1-1.5 Stunden kehren wir zurück in unsere Klassen. In den letzten Zwei Wochen stand der Körper auf dem Stundenplan, so sollten die Kinder an sich selbst, an anderen Kindern oder an Puppen Körperteile zeigen können. Meine Aufgabe dabei ist es dabei abwechselnd mit Elisabeth, die Kinder anzuleiten. Also ihnen zu vermitteln um welches Körperteil es sich handelt und außerdem sie immer wieder aufzufordern zum Beispiel auf das Bein zu zeigen. Manchmal teilen wir uns auch auf um intensiver zu üben.
Unterstützend haben wir in den letzten Wochen immer wieder Körper gemalt und gebastelt. Diese musste ich meistens Vorbereiten. Elli und ich nehmen uns dann immer ein Kind einzeln und helfen den Kindern die Vorgezeichneten Körper auszumalen, zu bekleben oder die ausgeschnittenen Körperteile zusammenzukleben, wobei ich die Körperteile immer wieder benennen muss. David und Maria sind dennoch die einzigen die mittlerweile recht sicher in der Bezeichnung sind. Die anderen vergessen und vertauschen immer wieder „la cabeza“ und „los brazos“
Mittwochs und Freitags sind wir im Musikraum, wo wir anschließend noch eine halbe Stunde im Musikraum, wo wir zu Musik Bewegungs und Tanzspiele mit den Kindern machen. Anschließend ist der Vormittag auch schon um. Um kurz vor zwölf machen wir uns auf den Weg Richtung Speisesaal. Dabei nehme ich an die eine Hand immer David H, da er alleine nicht laufen kann und an die andere Wellington, da er sonst wegläuft. Beim Mittagessen teilen Elisabeth und ich uns die Aufgaben immer auf und wechseln uns mit den Tätigkeiten ab. So brauchen alle Kinder ein Lätzchen und eine Essensunterlage. Es muss die Suppe für Wellington, Maria, Carolina und David P. vorbereitet werden. Also da sie meist zu heiß ist, gekühlt werden und die darin ethaltenen relativ großen Kartoffeln zerkleinert werden. Ausserdem brauchen David H. und Jefferson ihren Brei. Dabei muss Jefferson unterstützt werden damit nicht alles daneben geht und David komplett gefüttert werden. Für ein kleines Schüsselchen bracht er ca 25 Minuten da er Probleme beim Schlucken hat. Mit viel Geduld muss ich also jeden zweiten Tag Löffelchen für Löffelchen füttern. Dabei muss man immer seinen Kopf festhalten, da er diesen versucht krampfhaft nach oben zu ziehen. So kann er zwar theoretisch leichter schlucken, verschluckt sich aber immer.
Für die anderen Kinder muss zeitgleich das Essen vorbereitet werden. Also Essen verteilen, Fleisch und größere Dinge klein schneiden.

Nach dem Essen gehe ich alleine mit den Kindern zurück in die Klasse, da Elisabeth dann Mittagspause hat. Diese halbe Stunde ist natürlich die Lieblingszeit von Wellington in der er zu Höchstform aufblüht. Seitdem ich mit den Kindern die ersten 20 Minuten dieser Zeit auf den Spielplatz gehe, ist auch Wellington zufrieden. Wenn Elisabeth zurückkommt habe ich Mittagspause und kann das herrliche Essen der Fundacion genießen. Manchmal ist es aber wirklich gut.
Am Nachmittag wasche ich die Lätzchen und Unterlagen vom Mittagessen, ziehe die Kinder um, was bei den Kindern mit CP gar nicht so leicht ist, da jeweils einer ihrer Arme Bewegungsunfähig ist. Außerdem putze ich den Kindern die Zähne was sich ebenfalls leichter anhört als es ist. Maria hat so empfindliches Zahnfleisch, dass sie immer blutet, egal wie vorsichtig man putzt, Jefferson strampelt recht heftig, sodass man ihn gut festhalten muss. David macht partout den Mund nicht auf und Wellington – nun ja, Wellington eben. Stellt euch einfach sein hämisches Grinsen vor sobald man ihm auch nur versucht die Zähne zu putzen....Zum Glück hat er momentan nicht so viele Zähne.
Sobald die Kinder fertig sind ist der Tag auch schon fast vorbei. Die letzte Stunde bis vier, können sie sich in der Regel selbstständig beschäftigen. Manchmal puzzel ich mit ihnen oder wir gucken uns Bücher an. Um vier kommen dann Sowohl der Bus für Casa Hogar, als auch der, der die Kinder nachhausefährt, die nicht von ihren Eltern abgeholt werden können. Nachdem wir geholfen haben die Kinder in die Autos zu setzten, können wir nach Hause gehen.

An der Fudacion gibt es allerdings auch einige Seiten die ich nicht mag! So gefallen mir einige Erziehungsmaßnahmen gar nicht. Wie schon vorhin erwähnt ist Ellis Art und Weise der Bestrafung manchmal überhaupt nicht gerechtfertigt und unfair. Aber besser das als was man im Nachbarklassenraum finden kann. Dort steht eine Jacke, die Tia Aurie den Kindern droht anzuziehen wenn sie Unsinn machen. Das besondere, nein erschreckende und perverse an dieser Jacke ist: An ihrer Innenseite sind viele kleine Nadeln befestig, die sich in die Kinder bohrern würden, zöge Aurie diese den Kindern tatsächlich an. Ole, der in der Gruppe arbeit hat den Gebrauch zum Glück noch nie gesehen( würde diesen selbstverständlich auch verhindern) Aber allein damit zu drohen, finde ich unmöglich.

Beim Essen bin ich auch jedesmalwieder Fassungslos. Wellington mag keine Bohnen. Sie schmecken ihm wirklich nicht. Er verzieht immer richtig das Gesicht wenn Elli ihn mal wieder zwingt sie zu essen. Das in der Fundacion Wert darauf gelegt wird, dass die Kinder auch Gemüse essen und sich nicht nur das raussuchen was sie am liebsten mögen, kann ich nachvollziehen. Deshalb mache ich Wellington, wenn es Bohnen oder Linsen gibt(was doch mehrmals die Woche der Fall ist) etwas mehr Reis und nur ganz wenige Bohnen auf den Teller. Elisabeth hat das irgendwann bemerkt und allen Reis runtergamcht und ihm eine riesige Portion Bohnen gegeben, die er gefälligst zu essen haben, wenn er noch was anderes wolle. Wellington hat nichts gegessen und da es die darauffolgenden Tage immer Bohenen gab, hat er eben eine Woche gar nichts gegessen. Mittlerweile gebe ich ihm wieder die Portionen die ich für richtig halte.

Eine weitere negative Erfahrung war meine Strafarbeit in der letzten Woche. Ich musste den Speisesaal putzen. Das es eine Strafarbeit war, habe ich erst später herausgefunden. Die Personalchefin hat sie mir wegen fehlen in meinem Klassenraum aufgedrückt. Dass ich ca 2 Stunden lang nicht in meinem Raum war ist an sich wahr, liegt aber daran, dass die Personalchefin selbst, mich 10 Minuten vorher in meine Nachbarklasse eingeteilt hatte...Vielen Dank auch liebe Angelita.

Im Insgesamten gefällt mir die Arbeit in der Fundacion allerdings gut. Anfängliche Schwierigkeiten mit den Kindern sind längst überwunden. Meine Kinder sind mir schon richtig ans Herz gewachsen und es macht Spaß ihnen bei ihren Fortschritten zu zugucken, auch wenn sie noch so klein sind!

Dienstag, 16. Oktober 2007

Laguna Limoncocha

Warten ist eine Tätigkeit, in deren Genuss man in Ecuador nicht gerade selten kommt. So saßen wir am vergangenem Freitag Morgen um 7 Uhr bei schon recht hohen Temperaturen am Ufer des Rio Napos, einem großen Zufluss des Amazonas und – warteten. Das Schiff welches uns von Coca nach Pompeya bringen sollte, war –was für eine Ironie im Land der chronischen Zuspätkommer- eine halbe Stunde früher abgefahren.
Zu unserem Glück konnten wir im Boot eines Bekannten unseres Guides, der uns auf unsere Dschungeltour begleiten sollte, mitfahren.
Zu unserem Pech war das ganz schön teuer. 50 Dollar mussten wir für die 1.5 Stündige Bootsfahrt bezahlen, wo doch auch schon das restliche Wochenende teuer genug werden sollte. Nach 10 Minuten Bootsfahrt hatte sich der Preis schon gelohnt. Auf einem Fluss durch den Dschungel zu fahren, ist schließlich nichts Alltägliches. Am Ziel angekommen machten wir uns auf in Richtung Lagune Limoncocha, die sich als reines Paradies herausstellte. Der Regenbogen der am darauffolgenden Morgen über der Lagune zu sehen war, kam mir fast schon zu kitschig vor;-)
Bleiben wir zunächst einmal aber bei den Erlebnissen vom Freitag und der schönen Beschäftigung: Warten! Denn dass Boot, was uns über die Lagune bringen sollte, hatte kein Benzin. Aber früher oder später funktioniert auch hier dann alles und wir befanden uns wieder auf dem Wasser umringt von Regenwald. Traumhaft!
Als wir unser Feriendomiziel, mehrere kleine Bambushütten- erreicht hatten, mussten wir uns zunächst abkühlen, mittlerweile wusste ich nämlich was tropische Temperaturen sind. Unser Badezimmer war ein Traum. Einen kleinen Abhang hintergehend, konnte man mitten im Dschungel einen Wasserbehälter sehen, der mit frischem Wasser aus einem kleinen Bächlein gespeist wurde. Nie war eine „Dusche“ erfrischender.
Nach einem leckeren Mittagessen ging es zurück aufs Wasser. In kleinen Einbaum-Kanus und ausgerüstet mit Angeln und einem Brocken Fleisch rruderten wir los, um auf Piranhajagd zu gehen. Piranhas zu Angeln stelle sich als schwieriger als gedacht heraus. Meist dauerte es nur wenige Sekunden bis der Fleischköder abgefressen war und man seine Angel leer aus dem Wasser hervorziehen musste. Unser Guide Eduard und seine beiden Kinder(die um einiges erfolgreicher waren als wir) amüsierten sich köstlich über unseren sich alle paar Sekunden wiederholenden Satz: „Mas carne, por favor“ – „Mehr Fleisch bitte“
Zu guter letzt schaffte ich es aber doch einen Piranha zu fischen, auch wenn ich zugeben muss, dass es sich um den kleinsten von den geangelten Fischen handelte und dass meine Angelmethode etwas unkonventionell war...Als ich ein kleines Zucken an der Angel bemerkte und schon dachte wieder meinen Köder abgefressen bekommen zu haben, zog ich die Angel ruckartig heraus- Der Köder war noch dran. Es hatte auch kein Piranha angbissen, aber irgendwo im Rücken des Fisches hatte sich der Haken verfangen. So hatte ich mit etwas Glück immerhin unseren Angelspaß eine Weile verlängert, da der kleine Piranha zu neuem Köder verarbeitet wurde.
Hätten wir alleine geangelt, so wären wir abends nicht in den Genuss von Piranhafleisch gekommen, so hatten wir aber genug.
Zu unserem nächsten spannenden Abenteuer ging es gegen 21 Uhr los. In einem Kanu, welches so wackelte dass man ständig das Gefühl hatte im nächsten Moment im Wasser zu liegen(ich musste an die Piranhas denken) fuhren wir los um Krokodile, genauer gesagt Kaimane zu beobachten. Außer den im Licht unserer Taschenlampen rot funkelnden Augen, sahen wir wenig von den scheuen Tieren. Zumindest von den ausgewachsenen Tieren(bis zu 4m) Einen kleinen, etwa 50 cm großer Kaimar konnte unser Guide fangen und ins Boot holen. Fühlt sich zumindest interessant an! Ansonsten war die Nachttour aussergewöhnlich. Unter klarem Sternenhimmel trieben wir voller Erwartung und etwas Spannung über die spiegelglatte Oberfläche der Lagune. Aus dem Dickicht des Dschungels drangen die seltsamsten Töne, Klakkern, summen, Pochen und Rufe, hervor. Immer wieder sah man die funkelnden abtauchenden Augen sobald man sich ihnen näherte. Hörte hin und wieder ein plötzliches Platschen am Ufer und amüsierte sich über die Krokodilockgeräusche unserer Guides. Obwohl es ziemlich anstrengend war in dem unruihgen Boot zu sitzten, war ich fast traurig als die Tour zuende war und die fast magische Stimmung verflog.
Der nächste Tag begann sehr früh. Kurz nach Sonnenaufgang ruderten wir schon am Ufer der Lagune entlang. In den frühen Morgenstunden beobachteten wir einige Vögel und auch einige Affen waren in den Baumspitzen zu sehen.
Zu unser richtigen Tour durch den Dschungel ging es nach dem Frühstück los. Ich kann einfach nicht beschreiben wie genial es ist zwischen den exotischen Pflanzen im Dickicht auf nur einem winzigen Pfad entlangzugehen. An dieser Landschaft kann man sich nicht sattsehen, noch weniger kann man sie beschreiben.
Die Bäume und Sträucher stehen sehr dicht beieinander, die meisten sind noch von anderen Pflanzen, meist Kletterpflanzen bewachsen, Lianen hängen aus Bäumen herunter. Umgestürzte Bäume sind sofort wieder bewachsen, alles erdrückt sich fast und trotzdem wirkt alles filigran. Schmetterlinge fliegen kurz auf und sind direkt wieder verschwunden, erst beim genauen hinsehen fällt einem auf dass sie mit zusammengefalteten Flügeln als Blatt getarnt an der nächsten Pflanze sitzen. Überall krabbelt und wimmelt es, Tausenfüßler, Spinnen, Ameisen so groß wie Wespen. Eidechsen sind kurz zu sehen bevor sie im nächsten Baumritz verschwunden sind. Aus den Bäumen hört man das Geschrei der Affen. Man schlägt sich zwischen den Büschen hindurch, muss sich ducken, wieder aufrichten, durch kleine Bächlein wandern, über Baumstämme balancieren, durch Schlammlöcher wandern. Stets aufmerksam sein, nirgendwo hinzufassen, schließlich könnte man eine Schlange oder Spinne erwischen.
Um Risiken zu vermeiden mussten wir ständig auf den Weg achten, meist guckt man unter sich und ist jedes mal wieder überwältigt beim Hochgucken diesen wahnsinnigen Regenwald direkt zu erleben.
Dass ich komplett nass war habe ich irgendwann gar nicht mehr gemerkt. Aber meine Kleidung war vor Scheiß so durchnässt, als wäre ich gerade in einem See geschwommen.
An einem der ganz riesigen Bäume hing eine ca 15m lange Liane herunter, die sich im letzten Meter Y-förmig zum Boden hin öffnete. Daran war ein Holzbrett vom Guide befestigt worden. Das war ein Schaukelerlebnis der anderen Art und hat sehr viel Spaß gemacht. Eines der beeindruckensten Momente auf unserer Tour war der Mammutbaum. In seinen ca 800 Jahre hat er es geschafft alles in seiner Umgebung zu überragen. So breit wie ein Familienhaus am Boden schaut man an dem sich verdünnendem Turm hoch bis er sich schließlich weit über den anderen Bäumen wieder mit seinem gigantischen Blätterdach ausbreitet. Die Wurzeln an der Oberfläche sind größer als man selbst. Wie jämmerlich klein man neben diesem Giganten aussieht, wie jeder andere Baum zu schrumpfen scheint...
Ole ist an einer Liane ein ganzes Stückchen hochgeklettert und obwohl er wirklich hoch war es bis zur Spitze noch ein langer Weg. 30-40 Leute wären nötig um ihn mit ausgestreckten Armen zu umschließen.
Nach ca 4 Stunden wandern hatten wir endlich den weißen Fluss erreicht, den wir uns sehnlichst als Abkühlung herbeigesehnt hatten. Dass es auch in diesem Fluss Piranhas gibt hat man uns erst erzählt als wir wieder angezogen draußen standen...Während unseres Bades im Fluss zogen Wolken auf und angenehmer Regen verdrängte die große Hitze. Der Rückweg bot also wieder eine ganz andere Stimmung als die ersten Stunden des Wanderns. Diesmal war machte der Regenwald seinem Namen alle Ehre. Alles war nass, viel dunkler und völlig anders als vorher. Völlig verschieden waren somit beide Wege und beide herrlich. Dass damit unser Wochenende schon wieder vorbei sein sollte war schade. Der Gedanke an frische Wäsche und weniger Hitze war zwar verlockend, doch sehne ich mich jetzt gerade im kalten, regnerischen Quito wieder in die Hängematte der Bambushütte zurück...
Bisher hatten wir hier viele spannende Erlebnisse, neue Eindrücke und viel Spaß. Dieses Wochenende war aber dochnochmal etwas besonderes. Etwas ganz neues. So exotisch das ganze vielleicht auch klingen mag. Vor Ort kam mir alles fast normal vor. Immer wenn man sich bewusst machte was man gerade erlebt, dachte ich „Wow“. Aber dennoch hatte es alles etwas Selbstverständliches. Auf jeden Fall war es phänomenal!

Guayaquil

Vergangene Woche waren wir zum ersten mal selbst Couchsurfer. Bei einer Familie in Guayaquil fanden wir eine nette Unterkunft. Adriana, die Tochter der Familie, studiert in Deutschland und war nur auf Urlaub zu Hause.
Zusammen mit Niklas erkundete ich am Freitag also die größte Stadt Ecuadors. Relativ schnell stellten wir fest, dass sich diese Stadt kaum mit Quito vergleichen lässt. Während sich Quito im Hochland in ein schmales Tal zwischen Berggipfeln hineinzwängt und teilweise schon die Bergwände einnimmt, erstreckt sich Guayaquil großzügig und flach an der Küste.
Mit seinen breiten Straßen, den großen Einkaufmalls und dem höherem Wohlstandsniveau, verglichen zu Quito, wirkt die Großhafen- und Handelsstadt etwas wie eine Stadt in den USA.
Schöne gepflegte Parkanlagen zieren das Flussufer und kleinere Parks und große Plätze lockern die ansonsten nicht so anschauliche Stadt deutlich auf. Aus der Kolonialzeit sind nur wenige Gebäude geblieben, unter anderem eine wunderschöne Kathedrale, der einer der kleinen Parks vorausgeht. Dort leben zahlreiche Leguane, die zwischen den Füßen der Menschen und in den Bäumen hin und her huschen. Auch Schildkröten und Fische kann man in dem kleinen Teich beobachten.
An einem kleinen Berg liegt das Künstlerviertel Las Penas, welches aus zahlreichen bunten Häuschen besteht. Zwischen diesen konnten wir über zahlreiche kleine verwinkelte Gässchen und Treppen( ach wie schön ist Marburg!) auf den Hügel und den darauf stehenden Leuchtturm klettern. Weit reichte die Aussicht, doch das Ende von Guayaquil war nicht zu sehen.
Am Abend feierten wir mit Adriana und ihren Freunden ihre Abschiedfeier, da sie am Sonntag nach Deutschland zurückkehren sollte. Dass sie perfekt deutsch beherrschte war ganz nett, dass aber auch die meisten ihrer Freunde Deutsch konnten war doch ziemlich überraschend. Alle waren früher auf einer Deutschen Schule gewesen und so konnten wir einen deutsch-spanischsprachigen Abend verbringen.
Am nächsten Morgen kamen auch Joss und Ole an und zusammen mit Blanca, der Nachbarin von Adriana zogen wir erneut in die Stadt. Ziel war der historische Park von Guayaquil. Doch vorher setzten wir einen Amerikaner an einem Sportzentrum ab, wo er sich für seinen 96. Marathon einschreiben wollte...
Im Park angekommen schauten wir uns bei angenehmen 30 Grad und Sonnenschein zuerst verschiedene Tiere, ein kleines Musical, wiedererbaute Häuser aus der Kolonialzeit und andere kleine Präsentationen an.
Abends zog es uns zurück in das Bilderbuchviertel(wirklich schon ein bisschen zu künstlich) Las Penas zurück, wo wir eine urige Kneipe fanden, guter Livemusik zuhören konnten, natürlich Bier tranken und schon bald von einigen Leuten an deren Tisch gebeten wurden. Im anschloss gingen wir auf die Suche nach einer Salzabar, blieben aber letztlich in einem kleinen Club hängen-ohne Salza. Gegen halb fünf in der Früh machten wir uns schließlich auf den Heimweg und ließen daher den nächsten Tag gemütlich im eben beschriebenen Leguanpark anfangen. Zu viert schlenderten wir noch etwas durch die Stadt.
Bei Blanca aßen wir gemütlich mit zwei Freundinnen von ihr zu Abend und machten uns anschließend auf die lange Busfahrt nach Quito, wo wir –wie immer- gegen 5 in der Frühe ankamen. Zwar war die Fahrt relativ angenehm, ich konnte nämlich recht gut schlafen, doch dafür das Erwachen unangenehmer...mein Geldbeutel war nicht mehr da. Und dabei hatte ich mich schon so gefreut, als ich auf der Bushinfahrt gerade rechtzeitig aufwachte, um noch zu bemerken, wie mir mein MP3 Player gerade aus der Hand gezogen wurde. ...