Montag, 26. November 2007

Geburtsag und Wohnen bei Jenny

Vorige Woche Freitag um Sechs Uhr Abends war es soweit. Ich durfte meinem jüngeren Zwillingsbruder zu seinem 20. Geburtstag gratulieren, während ich selbst noch 19 war. Die Zeitverschiebung hat eben eigene Regeln... Zu dieser Zeit war ich ebenfalls gerade dabei die letzten Vorbereitungen für meine Geburtstagsgrillfeier auf unserer Dachterasse zu treffen.
Die Feier lief nur sehr langsam an, denn eine richtige Feierstimmung sollte zunächst nicht aufkommen. Dass dann auch noch der Strom ausfiel, hat nicht gerade zur einer Verbesserung der Situation geführt. Doch zwischen elf und zwölf kamen plötzlich immer mehr Leute. Um 12 Uhr dann bekam ich, wie das hier in Ecuador so üblich ist, eine dicke Sahnetorte ins Gesicht gedrückt. Danach(wir hatten auch wieder Strom) ging die Party erst richtig los und hat dann auch sehr viel Spaß gemacht. Gegen sechs Uhr in der Früh sind dann auch die letzten Gäste gegangen.
Am nächsten Morgen habe ich das hinterlassene Schlachtfeld betrachten können...unsere Wohnung hatte recht große Ähnlichkeit mit einer Müllhalde. Für das Aufräumen(was wir auf Sonntag verschoben hatten) haben wir zu viert ca 5 Stunden gebraucht.

Eine völlig neue Erfahrung konnte ich in der vergangenen Woche sammeln. Um auch einmal das ecuadorianische Familienleben kennenzulernen, entschloss ich mich für eine Woche bei Jenny, einer Arbeitskollegin einzuziehen.
Am Montag nach der Arbeit fuhr ich also mit nach Guayllabamba, einer kleinen Stadt etwas nördlich von Quito.
Jetzt wo ich wieder in unserer Wohnung in Quito sitze, kommt mir diese so endlos luxuriös und groß vor wie noch nie zuvor.
Jenny wohnt in einem kleinen Häuschen gegenüber dem Haus ihrer Eltern. Der Rohbau hat 3 kleine Zimmer, sowie eine Kochniesche. Das Zimmer von Jonathan und Christopher, den beiden Söhnen von Jenny, ist mittlerweile verputzt. Das andere Zimmer wird als Wohnzimmer, aber auch als Schlafzimmer von Jenny und ihrem Schwerbehinderten Mann genutzt. Dieser hat als Kind eine abgelaufene Impfung aus den USA bekommen und sitzt seit Jahren im Rollstuhl, da sich Muskeln und alle Körpereile zurückbilden.
Das dritte Zimmer diente bisher nur als Abstellkammer. Als ich am Montagabend dort ankam, hatte Jenny es mit einem Bett, einem Teppich, 2 kleinen Schränken und Licht ausgestattet.
Extra für mich!
Bevor ich beruhigt schlafen konnte, habe ich mich erst versichert, dass niemand aus der Familie auf sein Bett verzichten musste...
Nach der Arbeit in der Fundacion, haben wir uns in der fröhlichen und belebten, mit vielen Straßenständen gesäumten Hauptsraße Guayllabambas aufgehalten und uns mit Freunden von Jenny unterhalten, bis Jonathan und Amanda(Jennys Tochter, die allerdings im Haus ihrer Großeltern wohnt) aus der Schule kamen.
Im Haus angekommen, fingen wir dann immer an zu kochen. Reis mit Hühnchen, manchmal auch mit anderem Fleisch.
Viele Gespräche, ernste über Deutschland und Ecuador, über das Leben und die Arbeit, aber auch lustige über witzige Situationen und Erinnerungen haben die gemütlichen Abende viel zu schnell verfliegen lassen.
Am Morgen hieß es immer früh aufzustehen, um rechtzeitig in Quito in der Fundacion anzukommen. Verspätung wird mit empfindlichen Gehaltskürzungen bestraft. Dass Jenny eine der am längsten Arbeitenden in der Fundacion ist, wusste ich, wie lange sie tatsächlich arbeitet habe ich in der Woche herausgefunden. 5 Tage die Woche arbeitet sie täglich 10 Stunden für lächerliche 200$ im Monat und muss an den Wochenenden trotzdem noch Teller waschen(8$ pro Tag) um sich und ihre Familie über Wasser halten zu können.
Auch dass Jenny morgens nichts vom Popcorn oder den frittierten Bananen (Patacones) ist damit ihre Kinder mehr haben, wusste ich nicht. Einen Tag hat sie in der Fundacion sogar nur Reis gegessen und sich das Hühnchen für ihre Familie eingepackt!
Als ich noch in Deutschland war, habe ich mit Hannes ein Interview mit 2 Obdachlosen geführt. Diese hatten sich in 2 verlassenen Wohnwagen unter einer Brücke eingerichtet. Durch das erbetteln von Geld und Sozialleistungen des Staates konnten sie überleben. Als wir in die Wohnwagen reinschauten, waren diese mit Flachbildfernseher, Dolby-Suround-System, Stereoanlage und neusten Handys ausgestattet.
Auch bei Jenny gibt es eine Anlage und einen Fernseher. Trotzdem führten diese beiden deutschen „Straßenpenner“ ein viel reicheres und luxuriöseres Leben als Jenny und ihrer Familie!
Gibt es eigentlich wirkliche Armut in Deutschland?
Über solche und ähnliche Fragen habe ich in der Woche oft Nachgedacht. Zu Antworten kommt man nicht so leicht. Wütend oder Traurig haben mich meine Gedankenspiele dennoch gemacht. Doch trotzdem habe ich auch festgestellt, dass Jenny und ihre Familie glücklich sind. Auch ich war glücklich in der Woche. So eine Gastfreundschaft und Offenheit ist in Deutschland schwer zu finden. Dass ich bei Jenny mitwohnen kann war für sie gar keine Frage, sondern eine Selbstverständlichkeit!
Ich war in der Woche ein Teil der Familie und herzlichst willkommen. Was für ein Vertrauen ich, vor allem vom kleinen Christopher, aber auch von den anderen Familienmitgliedern geschenkt bekommen habe, war unglaublich.
Geld ist eben doch nicht immer alles!


Diese Woche war für mich ein großartige Erfahrung. Ich hatte die Chance einen Einblick in ein völlig anderes Leben zu bekommen. Zwar habe ich hier in Ecuador schon einiges gesehen und erlebt, doch immer aus einer anderen Perspektive.
Das was ich sehe aber auch richtig zu erleben! war mir diese Woche viel intensiver möglich.
Auch diese riesige Vertrauensbasis und neue richtige Freundschaft zur Familie ist eine wahnsinnige Bereicherung für mich!

Mittwoch, 14. November 2007

Die letzten Wochen waren schon wieder so Ereignisreich, dass ich kaum Zeit finde darüber berichten zu können. Daher also in Kurzfassung, was alles passiert ist:
Ende Oktober haben wir Joss Geburtstag gefeiert, was an sich sehr schön war, für mich jedoch wegen Krankheit nur eingeschränkt zu genießen war.
Nachdem ich mich wieder erholt hatte, fuhren wir letzte Woche nach Cuenca um dort das Unabhängigkeitsfest der Stadt feiern zu können. Dass Cuenca die schönste Stadt in Ecuador ist, steht für mich fest. Mit seinen gemütlichen, engen Kopfsteinpflastergässchen, den alten Häusern, schönen Parks und wunderschönen Kirchen, musste ich doch hin und wieder an ein kleines Städtchen in Mittelhessen denken.
Mit einem großen Feuerwerk(ziemlich unkontrolliert!) Vorführungen und Verkleideten Menschen startete das Fest. Mit einer Liveband unter freiem Himmel und hunderten vergnügten Menschen endetet es zumindest für den ersten Tag nach langen Tanzen spät in der Nacht. Auch am nächsten Tag gab es festliche Aktivitäten in der Stadt und natürlich am Abend wieder viel Musik und Tanz.
Dieses Wochenende erholten wir uns am Strand und feierten Julias Geburtstag. Das ich Julia und ihr „Haus“ noch nicht erwähnt habe ist fast fatal. Wie wir sind auch Julia und Co Freiwillige aus ganz Europa, die im Süden Quitos in einem Projekt arbeiten. Mittlerweile treffen wir uns nicht nur unter der Woche zum feiern, kochen und Salza tanzen, sondern verreisen auch an den Wochenenden zusammen.


Pferdetherapie:

Am vergangenen Donnerstag durfte ich mit zwei amerikanischen Volontären und einer Tia 9 Kinder der Fundacion auf einen Reiterhof begleiten. Dort konnten die Kinder an einer Hypotherapie mit Pferden teilnehmen. Ich half dabei die Kinder auf die Pferde zu setzten und sie, während sie von der Therapeutin geführt wurden, auf dem Pferd festhalten.
Gerade auf die Halbseitig gelähmten Kinder hat die Theraphie eine heilende Wirkung, da sich die Bewegung des Pferdes auf die Kinder überträgt. Diese gewinnen dadurch ein besseres Gleichgewichtsgefühl, bekommen ein Gefühl für ihre Körpermitte und profitieren durch einen Muskelspannungsabbau, bei den meist überspannten Muskeln.
Während die Kinder am Anfang ziemliche Angst hatten, teilweise sogar geweint haben und sich unter keine Umständen dem Pferd nähern wollten, wurden sie, sobald sie auf dem Pferd saßen, sofort ruhig. Man hat richtig gemerkt wie sehr de Kinder es genossen haben zu reiten und was für eine beruhigende Wirkung das Pferd auf die Kinder hat.
Dieser Vormittag war sehr angenehm und eine erfrischende Abwechslung zum normalen Fundacionsalltag. Die Ankündigung der Therapeutin, dass ich von nun an jeden Donnerstag mitkommen soll, hat mich noch mehr gefreut.

Die letzte Arbeitswoche ging also rasend schnell vorbei. So war ich am Donnerstag bei der Pferdetherapie und am Dienstag davor im Supermaxi um Essenspenden zu bekommen(so eklig und verschimmelt war es noch nie) Nur Montag und Mittwoch in der Fundacion. Bei so viel Abwechslung konnte ich kaum glauben, dass die Woche plötzlich schon wieder um war. Und jetzt ist die nächste Woche schon wieder fast um...